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Workshopbericht vom 1. DH Day der RUB am 6. Juli 2018

Der 1. Digital Humanities Day an der Ruhr-Universität Bochum diente dem fruchtbaren Austausch und der Vernetzung von digital orientierten Wissenschaftler*innen der RUB.

Die Digital Humanities haben sich in den letzten Jahren als Forschungsfeld etabliert, das sich mit der Anwendung computergestützter Methoden in den Geisteswissenschaften befasst. Auch an der Ruhr-Universität gibt es Forschungsprojekte und Initiativen, die sich in diesem Feld verorten lassen. Was allerdings bislang fehlte, war eine Vernetzung der eher unabhängig voneinander Forschenden. Auf dem Digital Humanities Day sollten mögliche Synergieeffekte und Bedarfe für gemeinsame Initiativen identifiziert werden. Der Workshop gab dabei einen breiten Einblick in laufende Forschungen, den Einsatz digitaler Technologien in der Lehre sowie institutionelle Angebote und Ansprechpartner.

# Lehre

Im ersten Block zum Thema Digital Humanities in der Lehre stellte zunächst Fabian Brinkmann (Fakultät für Geschichtswissenschaft) die Lehrveranstaltung „Distant Reading in der Geschichtswissenschaft“ vor. Am Beispiel der Methode des Topic Modeling diskutierte er, ob sich auch Studierenden der Geschichtswissenschaft die notwendigen Software-Kenntnisse vermitteln lassen, um neue Methoden selbständig einsetzen zu können. In seiner Veranstaltung konnte er Studierenden die erforderlichen Grundkenntnisse in der Statistiksoftware R nahebringen.

Anschließend führte Stephanie Heimgartner (Fakultät für Philologie) in das Forschendes-Lernen-Projekt „Elektronische Lektüren“ ein, das im Wintersemester 2018/19 durchgeführt wird. Die praxisorientierte Lehrveranstaltung soll die Themenbereiche Literatur und Digitalität aus verschiedenen Perspektiven in den Blick nehmen: Produktion, Publikation, Rezeption literarischer Texte, digital orientiertes Arbeiten mit literarischen Texten sowie die veränderten Grundfragen der Wissenschaft und Gesellschaft, die sich daran anschließen. Die Lehrveranstaltung soll den Beginn zu einer Verstetigung der Digital Humanities in der Philologie bilden, perspektivisch war die Rede von einem „Digital Philology Day“.

Der Block wurde von Caroline Richter (Fakultät für Sozialwissenschaft) abgeschlossen, die die Lehrveranstaltung „Datennachnutzung in der qualitativen Sozialforschung“ vorstellte. Als Grundlage der Veranstaltung diente die Fragestellung, wie Interviewdaten aller Fachrichtungen gewinnbringend archiviert und nachgenutzt werden können. Ein Grundproblem dabei ist die bereits schwierige Rechtelage bei qualitativen Daten; für die Weiterverarbeitung sei meist eine Einwilligung nötig. Ebenfalls fehle bisher eine Handreichung für eine adäquate Anonymisierung von Interviewdaten, um eine Archivierung überhaupt möglich zu machen, sowie eine Infrastruktur für die Archivierung. Lösungsansätze für diese Probleme wurden gemeinsam mit Studierenden erarbeitet. Die Ergebnisse werden demnächst in einem Sammelband im VS Verlag sowie in einer frei zugänglichen Toolbox (ab Herbst) verfügbar sein.

Die anschließende Diskussion warf die wichtige Frage auf, inwiefern die vorgestellten Projekte mithilfe digitaler Methode neue Fragestellungen generieren oder vielmehr alte Fragestellungen lediglich neu beantworten können; eine kritische Anmerkung, die sich durch den gesamten Workshoptag zog.

Andererseits wurde aus dem Plenum die Skepsis gegenüber digitalen Methoden sowie die fehlende Akzeptanz bei vielen Wissenschaftler*innen kritisiert; das große Potential neuer Methoden und Fragestellungen werde oft nicht wahrgenommen, geschweige denn an die Studierenden weitergetragen, sodass oftmals der Rückhalt im Kollegium fehle. Gleichzeitig wurden aber auch Beispiele genannt, in denen sich digitale Methoden wie bei einem Schneeballsystem durch die Studierenden selbst weitertragen (Heimgartner). Dem gegenüber stehe jedoch eine „Naivität bei forschungsethischen Fragen“ (Richter) auf Seiten der Studierenden, die eine Sensibilisierung zu Beginn einer solchen Veranstaltung notwendig mache; eine Halbkompetenz ohne Hintergrundwissen und kritisches Hinterfragen bei Studierenden sei „gefährlich“ (Brinkmann).

# Methoden

Im zweiten Teil des Workshops zu konkreten Methoden der Digital Humanities gab Fabian Brinkmann einen Einblick in sein Promotionsprojekt, in dem er beinahe 7000 Dokumente der türkischen Außenpolitik in Subsahara-Afrika mit Hilfe des Structural Topic Modeling untersucht, um übergreifende „Diskursstränge“ bzw. „Diskursfragmente gleichen Themas“ (synchron, diachron), Argumentationen, Rhetoriken und wichtige Akteure herauszufiltern. Das Topic Modelling stellt dabei den ersten Schritt des Analyseprozesses dar; die Diskursanalyse selbst werde anhand der computergestützten Vorauswahl durch close reading noch immer manuell durchgeführt.

Anschließend gab Ludger Jansen (Katholisch-Theologische Fakultät), basierend auf dem Projekt „Open Biological and Biomedical Ontologies Foundry“, Impulse für die Initiative einer umfassenden sozio-kulturellen Ontologie, die bereits bestehende Ontologien integrieren soll. Beim seiner Ansicht nach bislang ausstehenden Vorhaben einer geisteswissenschaftlichen Ontologie sieht er große Potenziale durch die Orientierung an Vorbildern aus den Lebenswissenschaften, wo sich übergreifende Ontologien mittlerweile zum Standard entwickelt haben.

In der anschließenden Diskussion wies Frederik Elwert (CERES) darauf hin, dass der Themenbereich Ontologie mittlerweile im Bereich der Digital Humanities vielfältig diskutiert wird. Die Vielfalt der Fragestellungen und Gegenstände erschwert dabei im geisteswissenschaftlichen Bereich eine einheitliche Ontologie, sodass sich derzeit eher ein Netzwerk aus Partikularontologien herausbildet. Außerdem wäre zu hinterfragen, inwieweit Widerspruchsfreiheit als Anforderung an Ontologien in den Geistes- und Sozialwissenschaften überhaupt gegeben sei. Elwert verwies dabei auf SKOS (Simple Knowledge Organization System), das sich der Modellierung von Konzepten ohne Anspruch auf Widerspruchsfreiheit widmet. Brinkmann erwähnte darüber hinaus das Problem der Übersetzbarkeit von Ontologien, zum Beispiel bei historisch variablen Begrifflichkeiten.

# Projekte

Der dritte Teil des Workshops gab einen Ausblick auf laufende und zukünftige Projekte, die im Bereich Digital Humanities an der RUB angesiedelt sind. Vivian Strotmann (UB und Institut für soziale Bewegungen) stellte gemeinsam mit Markus Koller (Fakultät für Geschichtswissenschaft) die bibliographische Datenbank „Historiography of Ottoman Europe“ vor, die die Vorteile einer digitalen Umgebung nutzt, um bibliographische Daten ansprechend und leicht zugänglich darzustellen und zu erweitern.

Katja Schmidtpott (Fakultät für Ostasienwissenschaften) begeisterte mit zwei Online-Editionen aus der Japanologie, die wichtige Quellen aus dem Bereich zukünftig einer breiten Leserschaft zugänglich machen soll. Unter anderem handelt es sich dabei um die internationale Geschäftskorrespondenz von L. Kniffler & Co. (1859 bis 1876).

Kianoosh Rezania (CERES) stellte abschließend das Langzeitprojekt „Zoroastrian Middle Persian: Digital Corpus and Dictionary (MPCD)“ vor, das sich zurzeit in der Antragsphase befindet. Das Projekt soll die philologisch-linguistische Erforschung zoroastrisch-mittelpersischer Texte mithilfe eines einzigen, übergreifenden elektronischen Interfaces ermöglichen.

Als Hauptanliegen der Teilnehmer*innen kristallisierte sich in der anschließenden Diskussion die Nachfrage nach mehr Akzeptanz und Verstetigung der Digital Humanities in den einzelnen Fakultäten sowie in der (deutschen?) geisteswissenschaftlichen Wissenschaftskultur heraus. Die neuen methodischen Möglichkeiten erhöhen gleichzeitig auch in den Geisteswissenschaften den Bedarf an technischer Infrastruktur und langfristiger Datenspeicherung Das Service- und Beratungsangebot auf diesem Gebiet verbessere sich zwar langsam, sei aber immer noch ausbaufähig. Dies behindere die Ausarbeitung vielversprechender Projektansätze.

Zudem stellte sich vermehrt die Frage nach den Möglichkeiten einer fächerübergreifenden Nutzung bestimmter Methoden, um Nachhaltigkeit und Nachnutzung in den Digital Humanities zu gewährleisten.

# Institutionen

Im letzten Teil des Workshops stellten sich verschiedene Institutionen aus der RUB und ihrem Umfeld in prägnanten Kurzvorträgen vor.

Vertreten waren die folgenden Institutionen:

Die Kurzvorträge stellten zugleich den Einstieg in den informellen Ausklang des Tages dar, in dessen Rahmen die Teilnehmer*innen bei einem Kaffee Überschneidungen in ihren Interessen und Ansatzpunkte für mögliche Kooperationen diskutierten.

# Ausblick

Seitens der Teilnehmenden wurde ein großes Interesse an einer Fortsetzung des fakultätsübertreifenden Austauschs zum Thema Digital Humanities konstatiert. Als erster Ansatzpunkt wurde zu diesem Zweck eine Mailingliste eingerichtet, über die sich Interessierte über neue Entwicklungen auf dem laufenden halten und gemeinsame Initiativen anregen können:

https://lists.ruhr-uni-bochum.de/mailman/listinfo/digitalhumanities

Zudem wurde seitens der Organisator*innen auf die DH-bezogenen Veranstaltungen am CERES hingewiesen, wie etwa das regelmäßig stattfindende CERES Computer Café. Diese stehen in der Regel allen Interessierten offen:

https://dh.ceres.rub.de/de/veranstaltungen/